Der Punkt

Mia, Wilhelm und Leon konnten nicht genau verstehen, worüber die Hexe und der Zauberer sprachen. Da hörten sie ein Niesen und der Zauberer sprach: „Aha! Gesundheit Herr Kammersänger.“ Die beiden Tiere kamen etwas verstohlen hinter der Kommode hervor. Leon fragte fast lautlos. „Wie kommen wir hier wieder weg?“ Mia antwortete ebenso leise „Irrwitzer und Hexe fangen gleich mit ihren Sprüchen an und dabei werden sie irgendwie immer betrunkene. Dann ergibt sich bestimmte eine Möglichkeit zu fliehen.“

Sie warteten noch eine Weile und verfolgten, wie sich der Kater und der Rabe Ausreden dafür einfallen ließen, warum sie im Labor waren. Sie erfuhren, dass die Hexe, mit Namen Tyrannia, die Tante des Zauberers war. Diese sagte den Tieren, dass sie auserwählt wären, Zeugen eines fabelhaften Ereignisses zu sein. Belzebub Irrwitzer und Tyrannia nahmen zwei Trinkgläser, füllten diese mit einem Schöpflöffel Punsch aus dem Punschglas voll. Aus Beelzebub Irriwitzers Ohren kamen kleine Rauchkringel, während er zu sprechen anfing:

„Punsch aller Pünsche, erfüll´ mir Wünsche:
Zehntausend sterbende Bäume im Wald
Soll´n wieder treiben
Und die noch gesund sind, jung und alt,
sollen´s auch bleiben.“

Schon fing Tyrannia an:

„Punsch aller Pünsche, erfüll´ mir Wünsche:
Die Aktien der Firma Kahlschlag & Co.
Machen nie mehr Gewinn.
Sie taugen nur noch als Papier für das Klo,
da gehören sie hin.“

Die beiden Zauberer schenkten sich ein neues Glas ein und Belzebub Irrwitzer fing mit seinem Wunsch an, aber die drei hörten es nicht mehr, denn sie hatten sich ganz leise und unbemerkt von der Punsch-Gemeinschaft auf den Korridor geschlichen. „Ich muss das Buch unbedingt lesen, wenn wir wieder zu Hause sind. Ich habe so viele Fragen.“, platzte Leon heraus.

„Bevor du das Buch lesen kannst, müssen wir erst mal wieder zu Hause sein.“, gab Mia zu bedenken. Das hatte er für einen Moment tatsächlich vergessen. „Wir sind der Lösung immer noch keinen Schritt näher. Es wird Zeit für einen brauchbaren Plan.“, sagte Wilhelm. Die Idee mit dem Besuch bei einem weiteren Zauber war ein Reinfall gewesen. Da waren sie sich alle einig, ohne es auszusprechen. Was sollten sie nur machen? „Warum können wir uns nicht wünschen, dass uns die Schriftrolle die Lösung verrät?“, wollte Leon wissen. Wilhelm schaute ihn nachdenklich an, bevor er anfing zu antworten „Ich glaube nicht, dass das Sinn macht. Schließlich hat uns die Schriftrolle das Rätsel selbst gestellt.  Gib mir doch bitte mal die Schriftrolle, Leon.“

Leon nahm den Rucksack, holte die Schriftrolle raus und gab sie weiter an Wilhelm. Dieser nahm sie entgegen und rollte sie auseinander. Er wurde blass und fing an zu zittern. „Wilhelm, was ist los?“, fragte Mia ängstlich. Noch mehr Aufregung konnte sie nicht ertragen. „Mia, schau dir bitte die Schriftrolle an. Fällt dir etwas auf?“ Ängstlich schaute sie darauf und begriff nach einem kurzen Augenblick, warum Wilhelm so beunruhigt war. Die Schrift auf der Rolle war immer größer geworden und es war nicht mehr viel Platz übrig. „Was glaubst du, wieviele Fragen oder Wünsche können wir noch äußern?“ „Was ist euer Problem?“, wollte Leon wissen, der keine Ahnung hatte. „Es gibt eine Regel, die wir unbedingt beachten müssen.“ „Die da wäre?“ „Leon, die Schriftrolle ist fast voll. Wenn sie voll ist, bevor wir den Bücherschrank verlassen haben, geht es nicht mehr!“, erklärte Wilhelm Leon vorsichtig. Er wollte den Jungen nicht mehr verunsichern als nötig. Ein panischer Leon war jetzt das letzte, was sie gebrauchen konnten. „Was heißt das für uns?“, kam es leise von Leon.

„Wir müssen jetzt ganz genau überlegen, was wir fragen oder wünschen. Es muss klar sein zu wem oder wohin wir wollen. So ein Reinfall, wie wir ihn eben erlebt haben, dürfen wir uns definitiv nicht mehr erlauben!“ Wilhelm klang so ernst, dass weder Mia noch Leon es wagten noch etwas zu sagen. Wilhelm klang wesentlich freundlicher als er weitersprach: „Lasst uns überlegen, wie wir jetzt weitermachen sollen.“ Alle drei fingen an zu grübeln. „Könnt ihr euch noch an das erinnern, was die Detektive gesagt haben?“ „Glaubst du, dass könnte uns weiterbringen?“, wollte Leon von Wilhelm wissen. „Ja, aber ich kann mich nicht mehr genau erinnern.“

„Also Emil und seine Gruppe waren der Meinung, dass die Antwort auf dem Plakat zu finden sei. Das hat uns zu Catweazle geführt. Doch nicht zu der Lösung des Rätsels.“, erinnerte sich Mia. Leon führte fort „Kim hat doch gesagt, dass sie glauben, die Lösung sei schon erwähnt worden. Aber sie konnten sich nicht mehr erinnern an welcher Stelle.“ „Ich habe erzählt, dass wir auf einer großen Reise seien, und was wir schon erlebt hatten.“, ergänzte Wilhelm. Mit einem Mal schlug sich Mia gegen die Stirn „Mann sind wir blöd. Natürlich wurde die Lösung erwähnt!“ Leon und Wilhelm waren sich nicht so ganz sicher, was sie von Mias Aussage halten sollten.

„Könntest Du uns an deinen Gedanken teilhaben lassen“, bat Wilhelm sie. „Wilhelm kannst du dich noch erinnern, dass Du gesagt hast, wir hätten das Sams getroffen?“ „Ja, und dann meinte Franzi, dass jedes Mal, wenn wir uns etwas gewünscht hätten ein… Mia, du hast es. Natürlich, dass ist die Antwort!“, Wilhelm wurde ganz aufgeregt als ihm klar wurde, wie die Antwort lautete. „Entschuldigt bitte, aber ich bin auch noch da.“, Leon stand total auf dem Schlauch und füllte sich wieder mal ausgeschlossen. Mia wandte sich zu ihrem Bruder und vollendete Wilhelms Satz „gewünscht hätten ein Punkt verschwunden sei! Verstehst Du, da ist der Punkt, nach dem wir die ganze Zeit gesucht haben. Wenn ich mich richtig erinnere hatte das Sams auch nur noch einen Punkt als es uns verließ.“ Jetzt war Leon auch elektrisiert. „Wenn ich euch beide richtig verstehe, ist das Sams mit seinem Punkt die Lösung für unser Problem. Das heißt doch, dass wir so schnell wie möglich in den Bücherschrank zurückmüssen.“ „Genau Leon, und zwar in die neutrale Zone, weil nur dort wir das Sams treffen können.“ Wilhelm wusste gar nicht, wo er mit seiner ganzen Freude hinsollte. Endlich schien es so, als ob sie nach Hause könnten. Doch da fragte Mia leise „Was machen wir, wenn jemand das Buch aus dem Bücherschrank genommen hat?“

„Mia, daran dürfen wir einfach nicht denken. Es muss einfach im Schrank sein!“, erwiderte Wilhelm, „jetzt aber los.“ Wilhelm nahm die Schriftrolle und hielt Leon an seiner Hand. Auf der anderen Seite hielt Mia die Hand von Leon. Aus dem Labor ertönte immer noch ein „Punsch aller Pünsche, erfüll´mir Wünsche“ nach dem anderen.  Mit lauter klarer Stimme sprach Wilhelm: „Wir möchten in die neutrale Zone des magischen Bücherschrankes. Als sie einen Augenblick später ihre Augen wieder öffneten, sahen sie Bücher über Bücher. Mia blickte Richtung Tür der BOKX und sah mit Freude, dass Mama und Papa immer noch oder vielleicht auch schon wieder davorstanden. Sie waren an ihrem Ziel angekommen und jetzt ging es darum das Sams zu finden.

„Wir können uns doch Wünschen, dass wir das Sams treffen.“ Mit einem Blick auf die Schriftrolle sagte Wilhelm „Leon, dass können wir leider nicht. Es ist nur noch soviel Platz, dass wir uns aus dem Schrank hinaus wünschen können. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Platz dafür reicht.“ Wo sollten sie mit ihrer Suche anfangen. Das Sams konnte überall im Schrank sein. Schließlich war dies nicht die einzige sichere Zone. „Es ist wirklich zum Mäuse melken!“, dachte Leon frustriert. Da standen sie nun und ihre große Freude schwand von Augenblick zu Augenblick.

Doch da hörten sie eine vertraute Stimme. Sollte das Glück tatsächlich auf ihrer Seite sein? Es schien so, denn die Stimme kam immer näher.

„Im Schrank

Ist eine Bank.

Auf der Bank

nahmen sie einen Trank.“

„Wenn ihr mich fragt, das Sams hat schon wesentlich besser gereimt.“, kommentierte Wilhelm, „Vielleicht werden seine Reime schlechter je weniger Punkte es hat.“, gab Leon zum Besten. Aber Mia war so glücklich, dass ihr die Reime des Sams vollkommen egal waren. Sie wusste, dass jetzt alles gut werden würde. Bald wären sie zu Hause, könnten Plätzchen essen und von ihren neusten Abenteuern erzählen. Vielleicht würden Mama und Papa ihr ja jetzt glauben, denn schließlich war Leon ihr Zeuge.

„Die drei reisten in die Ferne

und besuchten Herne.

Doch ihr größter Fund

war der Punkt.“

Da stand das Sams endlich vor ihnen. Am liebsten hätten alle drei nacheinander das Sams in den Arm genommen. Doch das Sams war schneller und begrüßte sie „Da seid ihr ja endlich, ihr Hohlköpfe! Seit Stunden warte ich auf euch, bin schon halb erfroren und weiß keine guten Reime mehr.“ Das war eine Begrüßung, wie sie es nicht erwartet hätten. Wenn sie ehrlich waren, hatte das Sams ja recht. Die Lösung war so einfach gewesen und sie hatten es nicht kapiert. Andererseits hätten sie aber auch nicht die Detektive, Catweazle und die komischen Gestalten in dem Gruselhaus getroffen.

Jetzt wollten sie aber nur noch nach Hause. Sie schauten das Sams an und Mia sagte laut und deutlich: „Des Rätsels Lösung ist der Punkt des Sams!“

Sie fassten sich an die Hände, Wilhelm nahm die Schriftrolle und Leon sprach: „Wir wünschen uns aus dem Bücherschrank. Wir wollen wieder davorstehen!“