Das Rätsel

Das Buffet war einfach unglaublich. Es ließ keine Wünsche offen. Mia hatte noch nie in ihrem Leben so viele Varianten von Schokolade gesehen. Von Schokoladensuppe über Schokoladennudeln bis zum Tiramisu war alles vorhanden. Selbst wenn man keine Schokolade mochte oder auf seine Modellfigur achten musste, hatte man noch eine riesen Auswahl. Als sich alle satt gegessen hatten, versammelten sie sich wieder am runden Tisch.

Es war Tim, der als erster das Wort ergriff: „Am besten wird es wohl sein, wenn ihr uns erst einmal alles ganz genau erzählt.“ Leon war drauf und dran loszulegen, aber Wilhelm ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. Die Gefahr war einfach zu groß, dass Leon etwas sagen würde, was auf der roten Liste stand. Wilhelm hatte sich überlegt, was sie alles nicht sagen dürfen, um das Geheimnis des Bücherschrankes zu wahren. Es war einiges zusammengekommen, und er hatte diese Sammlung zur roten Liste erklärt.

Wie sollte er anfangen? Letztendlich entschied Wilhelm sich nur die wichtigsten Punkte zu erwähnen. So fing er damit an, dass sie sich auf einer Reise befänden und nie wüssten, was als nächstes passieren würde. So hätten sie am Anfang ihrer Reise Lucy und Herrn Tumnus getroffen. Zwei sehr nette Bewohner aus Narnia. „Einen Augenblickmal, das geht doch gar nicht.“ „Warum sollte es denn nicht gehen?“, fragte Wilhelm. „Weil Narnia nur ausgedacht ist, das Land gibt es doch gar nicht!“, kam es belehrend von Julian. „Da irrst du dich. Narnia existiert genauso wie dieser Raum hier. Mia und ich waren schon einmal dort. Es ist ein herrliches Land!“ Julian sah Wilhelm skeptisch an. Sollte er das wirklich glauben. Aber Wilhelm wirkte so überzeugend, dass er es letztendlich glaubte.

„Als wir uns von Lucy und Herrn Tumnus verabschiedet hatten, kam uns das Fliwatüüt entgegen. Jetzt unterbrach ihn Karl: „Vom Fliwatüüt habe ich schon mal etwas gelesen. Ich glaube, es war ein Artikel in einer Motorzeitung.“ „Das kann sehr gut sein, denn das Fliwatüüt ist tatsächlich eine bahnbrechende Erfindung.“, sprach Wilhelm weiter. „Ich habe noch nie von einem Fliwatüüt gehört.“, meldete sich jetzt Justus von den drei Fragezeichen. Karl erklärte ihm, dass es eine geniale Erfindung sei. „Das Fliwatüüt kann fliegen, sich im Wasser fortbewegen und auf der Straße wie ein Auto fahren.“ Bevor noch weitere Fragen oder Anmerkungen kamen, fuhr Wilhelm in seinem Bericht fort.

„Kurz darauf trafen wir das Sams.“ „Ein was?“, wollte Tim wissen. „Das Sams ist ein sehr guter Freund von uns, der uns schon so manche Wünsche erfüllt hat.“ „Und jedes Mal, wenn ihr euch etwas gewünscht habt, verschwand ein Punkt.“, fügte Franzi hinzu. „Du hast vollkommen Recht, Franzi. Aber woher kennst Du das Sams?“, wollte Wilhelm wissen. „Ich habe ein Buch über das Sams gelesen. Stimmt das alles, was dort drinsteht? Franzi wollte es nicht glauben. Bisher hatte sie das Sams immer für eine Fantasiegestalt gehalten. „Ja, es stimmt alles genauso wie es im Buch steht. Mein Freund Paul Maar fand die Geschichten, die ich ihm vom Sams erzählte, so spannen, dass er sie unbedingt aufschreiben wollte. Ich fragte das Sams, ob es damit einverstanden sei, und das Sams war so geschmeichelt, dass es „Ja“ sagte.

„Unsere Reise ging weiter. Wir wollten unseren alten Freund Old Shatterhand besuchen. Leider hatte er keine Zeit, aber er nahm uns mit in ein Pueblo der Apachen. Es war eine großartige Zeit. Wir haben viel erlebt!“ „Wow, ihr habt wirklich so einiges gesehen auf eurer Reise“, sagte Tim mit Bewunderung. „Doch was hat das alles mit dem Rätsel zu tun? Und warum müsst ihr es lösen?“, fragte Kalle. Wilhelm hörte eine leichte Ungeduld heraus. Kalle hatte auch recht. Er redete und redete, kam aber nicht auf den Punkt.

„Wir wollen jetzt wieder nach Hause, denn wir sind schon so lange unterwegs. Mia und Leon haben Heimweh und ich vermisse meinen schönen alten Ohrensessel. So haben wir uns auf den Weg nach Hause gemacht und waren uns auch sicher, dass wir keine Probleme bekommen würden. Aber wir hatten uns getäuscht. Wir wollten mit dem Zug nach Köln fahren, aber der Schaffner lässt uns erst in den Zug, wenn wir das Rätsel gelöst haben. Er gab uns den Rat zunächst nach Hamburg zu fahren. Dort könnte uns vielleicht jemand helfen. Den Rest der Geschichte kennt ihr.“, Wilhelm lehnte sich erschöpft zurück.

Mia und Leon schauten Wilhelm an und waren vollkommen perplex. Sie hätten nie gedacht, dass ein Erwachsener so lügen konnte. Das hatte Wilhelm nämlich getan. Er hatte gelogen, dass sich die Balken bogen. „Wilhelm, warum hast du so gelogen? Wir wollten doch gar nicht mit dem Zug fahren und es war die Schriftrolle, die uns das Rätsel gestellt hat.“, flüsterte Mia Wilhelm ins Ohr. Leise antwortete er ihr: „Nicht jetzt Mia! Es ging nicht anders. Ich werde es euch erklären, wenn wir wieder zu Hause sind!“ „Na, da bin ich ja mal gespannt.“ antwortete sie spitz.

Nach einigen Minuten sagte Kalle schließlich: „Das ist ja alles ganz schön und nett. Doch wissen wir immer noch nicht, wie das Rätsel nun lautet!“

Wilhelm wollte Kalle und die anderen nicht weiter auf die Folter spannen und sagte das Rätsel auf:

„Aber seid ihr zu dritt und wollt heraus

Reicht der Wunsch hier nicht aus

Dem Punkt müsst ihr Aufmerksamkeit schenken.

Das wird alles auf die richtige Weise lenken.“

„Wo wollt ihr denn heraus?“, stutzte Kalle. Dieser Junge war einfach zu gut. Er merkte wirklich jedes Detail, was nicht passen konnte. Es blieb Wilhelm nichts anderes übrig, als eine passende Antwort zu finden. Doch es war nicht so einfach und eigentlich hatte er auch keine Lust mehr zu lügen. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig: „Kalle, dass ist nur ein Stilmittel. Dem Schaffner war der Reim so wichtig. Wir wollen nirgends hinaus. Unser einziger Wunsch ist es nach Hause zu kommen.“ „Na, wenn der Reim so wichtig ist, hätte er ja auch sagen können … „wollt nach Haus.“, kam es von einem Mädchen, dass bisher nichts gesagt hatte. „Ich vermute mal, dass der Schaffner das Wort besonders gern benutzt.“, das war eine schwache Lüge und Wilhelm wünschte sich, dass die Detektive es schlucken würden.

„Ich glaube nicht, dass wir das Rätsel lösen, indem wir die Formulierung auseinandernehmen. Ich würde viel lieber wissen, welchem Punkt man Aufmerksamkeit schenken soll.“, ließ Klößchen sich vernehmen, bevor er sich wieder seiner Schokoladentafel widmete. „Stimmt! Willi hat es auf den Punkt gebracht. Welcher Punkt ist hier gemeint? Hat jemand von euch eine Idee?“, wollte Tim wissen. Die Antwort war ein allgemeines Kopfschütteln. „Dann lasst uns doch überlegen, wie wir am besten vorgehen sollen.“, schlug Kalle vor. „Wir können ja einen Wettbewerb daraus machen! Jede Detektivgruppe überlegt sich, was die Lösung sein könnte. Als Prämie gibt es eine Monatspackung von Sauerlichs Winterschokolade.“

„Willi, kannst Du auch noch an etwas anderes denken als an Schokolade?“, stöhnte Tim. „Schokolade ist ein wichtiges Grundnahrungsmittel!  Sie fördert das Denkvermögen. Also sage nichts gegen Schokolade.“, verteidigte sich Klößchen. Die einzigen, die ihm zustimmten, waren Dick und Leon.

Ohne viele Worte trafen sich die Detektive, die sonst auch zusammenarbeiteten mit zwei Ausnahmen. Bob fragte Kim und die beiden anderen Mädchen von den drei Ausrufezeichen, ob sie mit den drei Fragezeichen zusammenarbeiten wollten. Mit Begeisterung stimmten sie zu und gingen zu den drei Jungs hinüber. Kalle, der ja meist allein war bei seiner detektivischen Arbeit schloss sich Tim, Karl und Gaby an. Klößchen fehlte, aber er hatte auch wichtigeres zu tun.

„Glaubt ihr dem Alten die Geschichte?“, fragte Tim. „Warum nicht. Klang absolut glaubwürdig, wobei manche Aspekte schon merkwürdig waren.“, erwiderte Kalle. So machten sie sich auch an die Arbeit. Mia und Wilhelm saßen immer noch dort, wo sie die ganze Zeit gesessen hatten und betrachteten das Geschehen von außen. Wilhelm schaute auch immer wieder zu Leon, der die ganze Zeit mit Willi und Dick tuschelte. „Was hatten die drei nur vor?“, dachte Wilhelm, aber er freute sich, dass Leon wieder Freunde gefunden hatte.

Es wurde intensiv gearbeitet, und wenn man genau hinsah, konnte man die rauchenden Köpfe erkennen. Nach etwa einer Stunde kam Tim zum Rednerpult: „Ich glaube, dass wir jetzt alle lang genug nachgedacht haben. Wir von TKKG und Kalle haben keine gescheite Lösung gefunden. Es sind einfach zu wenige Hinweise. Man könnte spekulieren, was es heißen könnte, aber so arbeitet kein seriöser Detektiv. Hat vielleicht jemand anderes eine Idee?“

Emil erhob sich: „Wilhelm, hast du nicht vorhin erzählt, dass ihr das Plakat gesehen hättet.?“ „Ja, das stimmt. Es war an einer alten Litfaßsäule. Mia war der Meinung, dass wir uns diese anschauen müssten.“ „Könnte es nicht sein, dass es gar nicht um uns ging? Vielleicht steht noch etwas anderes an der Litfaßsäule, was euch weiterbringt.“ Das war ein sehr guter Gedanke. Auf die Idee war Wilhelm gar nicht gekommen. Für Mia und ihn war es ganz logisch gewesen, dass sie zu den Detektiven mussten, dass sie gar nicht weiter geschaut haben, was sonst noch auf dieser Säule gestanden hatte. Mia wurde ganz unruhig: „Das ist großartig. Ja, wir müssen wieder zu der Litfaßsäule, und zwar so schnell wie möglich.“ „Mia, ich kann aber noch nicht weg von hier. Wir kreieren gerade eine neue Schokoladensorte. Die wird der Hit!“ erwiderte Leon und Wilhelm fügte hinzu: „Mia, lass uns doch erst einmal hören, was die anderen noch für Ideen haben, bevor wir jetzt übereilt weggehen.“ Wilhelm hatte recht und Mia versuchte wieder ruhiger zu werden. Sollte Leon doch noch ein wenig an seiner Schokolade weiterarbeiten dürfen.

Als nächstes erhob sich Kim, um etwas zu sagen: „Wir können euch nicht sagen warum, aber wir sechs sind alle der Meinung, dass die Lösung heute schon mal erwähnt worden. Es war in dem Teil, als Wilhelm uns erzählt hat, was ihr alles auf eurer Reise erlebt habt. Wir sind uns sicher!“ Konnte es sein, dass die Antwort schon dagewesen war. Wilhelm musste noch einmal an das denken, was er vorhin gesagt hatte. „Habe ich es gesagt oder einer von euch?“, wollte Wilhelm von Kim wissen. Aber das konnte sie auch nicht mehr sagen.

Mehr Ideen kamen nicht und es schien wirklich am besten, wenn sie wieder zur Litfaßsäule führen. „Mia, Leon, es wird Zeit, dass wir uns verabschieden. Wir bedanken uns bei euch für die schöne Zeit, die wir mit euch verbringen durften. Wir wünschen euch viel Erfolg mit eurer Vereinigung. Ein kleiner Tipp noch von mir. Ihr habt tatsächlich keine Formalitäten nötig!“ „Parole Wilhelm“, kam es aus der Ecke von Emil und alle setzten mit ein: „Parole Wilhelm“! Leon war zwar bitter enttäuscht, dass sie gehen mussten, aber er verstand es. Willi bestand darauf, dass die drei mit dem Auto seines Vaters zurückfahren sollten.

Die Fahrt dauerte nicht lange und wenige Augenblicke später standen Mia, Leon und Wilhelm vor der Litfaßsäule. Wieder umrundeten sie langsam die Säule und suchten nach einem Punkt oder nach einem anderen Hinweis. Plötzlich hielt Wilhelm inne und zeigt auf ein DIN-A-6 Blatt. Jemand suchte nach seinem Hund. „Was ist daran so besonders Wilhelm? Hunde werden doch ständig gesucht.“, verwundert blickte Leon zu Wilhelm. „Es ist nicht der Hund, sondern der Name des Hundes!“ „Wie heißt der Hund denn?“ „Catweazle!“, rief Wilhelm. „Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass wir auf Catweazle stoßen. Ich bin mir nicht sicher, aber irgend etwas hat Catweazle damit zu tun. Lasst uns zu ihm gehen.“

Mia gab Wilhelm die Schriftrolle. Sie fassten sich wieder alle an die Hände und Wilhelm sprach: „Wir wünschen uns, Catweazle zu treffen!“