Der Weg zu Herrn Tumnus

So marschierten sie alle zusammen los. Um nicht unhöflich zu wirken, verzichteten die Könige Narnias vorweg zu reiten. An der Spitze des Zuges gingen Peter, der Prächtige, und Wilhelm. Dieser stellte lauter Fragen über Narnia, wobei er darauf achtete, dass er bloß nicht Fragen zu den kommenden Büchern stellte. König Peter beantwortete alle Fragen und kam nicht mehr aus dem Staunen, was dieser Fremde alles über ihn und seine Geschwister wusste. Wie war das nur möglich? „Werter Herr, erlaube mir eine Frage. Woher wisst ihr das alles, wenn ihr nicht aus Narnia kommt? Haben sie unser Land schon einmal besucht?“ Jetzt merkte Wilhelm, dass er mit seinen Fragen übertrieben hatte und in der Falle saß, denn er musste etwas antworten. „Hoheit, ich war schon sehr oft hier in Narnia und kenne daher die Gepflogenheiten des Landes, eure Geschichte und die eurer Geschwister.“ „Wie kommt es dann, dass wir euch noch nie begegnet sind, holder Herr?“ Wilhelm wurde richtig heiß. Jetzt wurde es knifflig. Denn bei Kalle hatten sie ja schon gemerkt, wie schwierig es war, jemanden zu erklären, dass er ein Teil eines Buches war, welches über ihn geschrieben worden war.

Hinter ihnen liefen Edmund, der Gerechte, und Kalle. Sie verstanden sich prächtig. Edmund erzählte von seinen Abenteuern und dem Kampf gegen die weiße Hexe. Einen Augenblick wurde er still, denn an dieses Kapitel in seinem Leben wurde er nicht gerne erinnert. Letztendlich hatte er sie gemeinsam mit seinen Geschwistern besiegt. Er wollte unbeding mehr von Kalle erfahren. So erzählte Kalle ihm, dass er aus Kleinköping kam, einer kleinen Stadt im wunderschönen Schweden und er versicherte König Edmund, dass es diese Stadt wirklich gäbe. Ihm war immer noch schleierhaft, warum Mia erzählt hatte, dass Kleinköping gar nicht existierte. Eine Frage, die auf seiner langen Liste der unbeantworteten Fragen sehr weit oben stand. Er berichtete vom Krieg der Rosen. Edmund stutze für einen Moment. Ihm war, dass er schon einmal vom Krieg der Rosen gehört habe. Waren es nicht zwei Adelsgeschlechter, die um den Thron eines bedeutenden Landes jenseits des Meeres kämpften. „Oh, ja von den Rosenkriegen habe ich schon gehört.“ „Ich glaube es ja nicht. Ihr habt schon von uns gehört?“, fragte Kalle und war begeistert. „Wahrscheinlich haben Hoheit das Buch über uns gelesen. Dann wissen sie ja auch, dass im Mittelpunkt unseres Krieges der „Großmummerich“ steht. Jetzt verstand König Edmund gar nichts mehr. Es ging bei den Rosenkriegen doch um den Thron jenes Landes und nicht um einen „Großmummerich“. Wenn er sich doch nur noch genau erinnern könnte, aber es war eine Erinnerung aus einer längst vergessenen Zeit.

König Edmund und Kalle folgte Königin Susan, die Sanftmütige. Da sie allein ging, dachte sie über diese merkwürdige Begegnung nach. Und wieder war da etwas, was sie aber nicht fassen konnte. Am Ende des Zuges kamen schließlich Mia und Königin Lucy, die Tapfere. Königen Lucy mochte die Kleine. An irgend jemanden erinnerte Mia sie. Aber sie konnte nicht sagen an wen. Mia war für ihre Verhältnisse recht wortkarg. Vorhin war etwas passiert, was irgendwie nicht stimmte. Es hatte was mit Kalle zu tun. Mia dachte nach und da fiel es ihr wieder ein. Königin Susan hatte Kalle ihren Mantel gegeben, weil Kalle nur sein T-Shirt anhatte. Aber Wilhelm hatte ihm doch schon seinen Mantel gegeben. Darum lief er ja auch noch immer mit der Decke rum. Hatte Kalle den Mantel verloren? Liebe Königin Lucy, Entschuldigung, aber ich muss dringend etwas Kalle fragen. Mia lief vor zu Kalle, und platze in das Gespräch der beiden. „Kalle, wo ist Wilhelms Mantel?“ Kalle schaute sie verdutzt an: Äah, das weiß ich nicht. Ich hatte ihn nicht mehr an als wir von dem einen Buch zu diesem gekommen sind. Da fiel Mia auf, dass sie immer noch keine Ahnung hatten, in welchem Buch sie vorher gewesen waren. Ob sie das wohl noch mal herausfinden würden, dann ist die Frage, wie sie den Mantel wiederbekommen würden und was würde passieren, wenn der Mantel im Schrank bleiben würde.  Sie wußten von dem Buch  zumindest, dass es in England spielte und ein Mädchen namens George und ein Hund Tim darin vorkamen. Da Mia kaum mit den anderen Schritt halten konnte, ließ sie sich wieder zu Königin Lucy zurückfallen.

Sie war so müde. Sie dachte an ihr weiches Bett mit dem Sternenhimmel an der Decke. Wie gerne würde sie jetzt darin liegen und schlafen? . Sie konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal geschlafen hatte. Auch taten ihre Füße so weh! Doch sie wusste, dass sie weiter gehen mussten. Denn nur so konnten sie einen Weg finden, wie Kalle zurück in sein Buch konnte. „Du heißt Mia, nicht war?“, fragte Königin Lucy freundlich. Mia konnte nicht mehr antworten und nickte nur noch mit dem Kopf. Die Müdigkeit war ihr deutlich anzusehen, so dass Königin Lucy rief: „Haltet einen Augenblick an.“ Sie ging auf Mia zu und hob sie in den Sattel ihres Pferdes. Das würde Mia ihr nie vergessen. Jetzt wusste Königin Lucy auch an wen sie denken musste, wenn sie Mia sah. An sich selbst, wie sie in Mias Alter war. Dunkel konnte sie sich an einen langen Fußmarsch mit Herrn und Frau Biber erinnern. Auch wenn es nur eine sehr dunkle Erinnerung war, so musste sie doch lächeln.

Wilhelm war gerade soweit, dass er König Peter erzählte, dass ein bekannter Mann aus England ein Buch über Narnia geschrieben habe. In diesem Buch würden all die Abenteuer von König Peter und seinen Geschwister stehen. Im nächsten Augenblick war es dann passiert. Der vernünftige Wilhelm konnte einfach nicht widerstehen und hatte die magische Regel gebrochen, denn er erklärte, dass sie sich alle gerade jetzt in dem Buch über Narnia befänden. Genau damit hatte er sich in die Geschichte eingemischt.  Schon im nächsten Augenblick biss sich Wilhelm auf die Zunge. Warum hatte er das bloß gemacht? Und was würde jetzt passieren? König Peter versuchte ernst zu bleiben, aber leicht fiel ihm dies nicht. Dieser alte Mann wollte also behaupten, dass dies nicht die Wirklichkeit sei, sondern nur Buchstaben auf Papier. Oh, nein, dass war unmöglich. Doch er mochte Wilhelm. Wenn sie später im Schloss sein würden, würde er mit seinem Leibarzt sprechen und ihn bitten, dass er Wilhelm einmal gründlichst untersucht. Denn ganz offensichtlich redete der alte Mann wirr. Wie kam es, dass er die Kinder bei sich hatte? Als König hatte er eine Verantwortung, auch für seine Gäste. Während er gerade darüber nachdachte, wie man mit Mia und Kalle verfahren sollte, gab es hinter ihnen einen lauten Tumult. Er schaute zurück auf König Edmund und fragte ihn: „Eure Hoheit, was geht bei euch vor?“ „Ich weiß es nicht, König Peter, aber dieser Knabe erzählte mir gerade etwas über die Rosenkriege. Ich unterbrach ihn und sprach, dass es in England beim Hause Tudor Rosenkriege gab, aber nicht in Schweden. Worauf der Knabe anfing wie ein Zwerg umherzuspringen und laut zu schimpfen, dass er noch nie vom Hause Tudor gehört habe. Es wäre ungeheuerlich, dass jemand anderes es wagte von dem Krieg zwischen der weißen Rose und der roten Rose zu schreiben. Das war sein Krieg und keiner hatte das Recht, diesen Krieg für ein anderes Buch zu verwenden. Edmund fragte seinen Bruder fordernd: „Werter Bruder, habt ihr von anderen Rosenkriegen gehört?“ Peter schüttelte den Kopf. Er kannte keine anderen Rosenkriege. Kalle und Edmond liefen schweigend weiter.

König Peter fragte Wilhelm: „Kennen Sie eine junge Hexe namens Hermine? Sie kommt des öfteren und besucht unsere Bibliothek.“ Wilhelm erstarrte sprichwörtlich zur Salzsäule. Niemals hätte er die magische Regel brechen dürfen. Nun flog ihm oder besser ihnen allen das alles um die Ohren. Wie kann es sein, dass Hermine Granger, die Freundin von Harry Potter in Narnia in die Bibliothek geht. Das ist unmöglich! Welche Konsequenzen würde das haben. Wilhelm wurde immmer verzweifelter, wie sollten sie aus dem Dilemma wieder herauskommen. Zu allem Überfluß hatte König Peter ihm kein Wort geglaubt. Wilhelm war sich fast sicher, dass der König ihn für verrückt hielt. Er konnte nicht so weit gehen, den vier Königen zu sagen, dass sie eigentlich 4 Kinder seien, die zufällig durch einen Kleiderschrank gekrabbelt und dann  auf einmal in Narnia waren. Dann würde er den Lauf der Geschichte zu fatal ändern. Dann gäbe es kein Zurück mehr. „Warum konnte jetzt nicht der Professor, bei dem die Kinder in England gelebt haben durch den Kleiderschrank kommen? Das war doch ein ganz gescheiter Herr, dem die Könige vertrauten. Ach, nein, nicht die Könige, sondern die Kinder Peter, Susan, Edmund und Lucy.“, die Gedanken schwirrten nur so in seinem Kopf und es wurden immer mehr. Er wusste nicht wie er Kalle beruhigen sollte. Wilhelm verstand ihn nur zu gut. Was sollte er nur tun? Er hatte einfach keine Idee. Schließlich schien ihm die beste Lösung zu sein, erst mal weiterzugehen. Vielleicht ereilte ihn ja noch ein Geistesblitz. „Eure Hoheit, ist es noch weit bis zum werten Herrn Tumnus. Wir sind gleich beim Schloss der weißen Hexe. Herr Tumnus zog dort ein, um darüber zu wachen, dass nie wieder das Böse dort einzieht. Und er hat es wahrlich geschafft, daraus ein Heim zu machen, wo jedermann Willkommen geheißen wird. Er hatte dort schon die merkwürdigsten Gäste. Erst neulich bekam er Besuch von einem Schwarm wilder Gänse in Begleitung einer zahmen Gans und eines kleinen Jungen. Ich glaube sein Name war Nils und noch irgendwas. „Nein, dass durfte nicht wahr sein! Wie kann Nils Holgerson hier in diesem Buch auftauchen? Da waren wir letztes Jahr drin“, stöhnte Wilhelm fast lautlos und er betete, dass dieser Albtraum endlich vorbei sein möge.

Als sie um die Ecke bogen sahen sie ihr Ziel. Dort erstrahlte ein Schloss, dass nur noch im Entferntesten an das Schloss der alten Hexe erinnerte. Herr Tumnus hatte das Schloss in allen Farben angestrichen, die er in Narnia finden konnte. Eine Villa Kunterbunt in Narnia! „Nein, bitte nicht! Es darf einfach nicht sein! Es durfte nicht sein, dass Pippi hier gewesen war.“ Aber kaum das Wilhelm den Gedanken zu Ende gedacht hatte, sprach König Peter: „Sieht das Schloss nicht herrlich aus. Herr Tumnus war auf Reisen und in einem fernen Land, welches ich selbst nicht kenne, lernte er ein Mädchen kennen, die in so einem bunten Hause wohnte. Wie war noch gleich ihr Name?“ Wilhelm sagte nur ganz leise: „Pippi Langstrumpf!“ „Ja, werter Herr, so war der Name. Aber woher kennt ihr den Namen?“ „Ich habe das Buch von Pippi Langstrumpf gelesen.“ König Peter schien verwirrt, denn der Name war richtig. Aber der alte Mann sprach schon wieder über ein Buch. Was hatte es nur mit den ganzen Büchern auf sich. Es musste ein merkwürdiges Land sein, wo die Fremden herkamen. Vielleicht nannte es sich das Land der Bücher oder Bücherland. Am besten wäre es, wenn sie so schnell, wie es nur ging in ihr Land zurückkommen würden. Peter versank in den Gedanken, wie er das anstellen könnte, dass sie wieder verschwanden.