Wiedersehen

Mia hatte gerade ihren Kopf ein bisschen angehoben, da kam Kalle schon durch den Kamin und fiel auf Mia. An ihrer Hand spürte sie etwas kaltes und feuchtes, wie eine Zunge. Und im nächsten Augenblick hörte sie ein kurzes Bellen und einen lauten Schrei, der aber sofort erstickte. „Sei still!“ Mia nahm einen Jungen wahr, der etwa so alt sein musste, wie Kalle. Der Junge feuerte eine Frage nach der anderen in Richtung Mia und Kalle: „Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Sagt mir das sofort, sonst hole ich meinen Vater.“ Georgina, die wie ein Junge aussah, versuchte sehr bedrohlich zu klingen, denn sie beabsichtige auf gar keinen Fall ihren Vater zu holen, denn dann würde dieser merken, dass sie Tim ins Haus geholt hatte, obwohl er ihr es verboten hatte. Kalle antwortete als Erster, natürlich auf schwedisch, dass er Kalle sei. Mia übersetzte und ergänzte: „Und ich bin Mia. Aber wer bist du? “Ich bin George, und dass ist Tim mein Hund. Eigentlich heiße ich Georgina, aber ich mag den Namen nicht und außerdem wäre ich viel lieber ein Junge.“ „Ich dachte, dass du ein Junge bist!“ „Was macht ihr denn nachts vor einem Kamin in einem…“, Mia schaute sich um und sah, dass im schwachen Licht des Feuers viele komischen Instrumenten und Glasröhren in Regalen und auf einem Schreibtisch funkelten. „…Arbeitszimmer.“, ergänzte sie. „Und überhaupt! Wo ist Wilhelm? Wir haben laut gesagt, dass wir zu Wilhelm wollen. Also wo ist er?“ Sie schaute George wütend an, als ob diese etwas dafürkönnte, dass Wilhelm nicht zu sehen war. George schaute sie total verwirrt an. „Wer ist Wilhelm? Warum sollte er hier sein? Siehst du hier irgendjemanden, der aussieht wie ein „Wilhelm““, sagte sie ungehalten. Mia sagte voller Stolz: „Wilhelm ist mein Freund. Er ist ein weiser Mann und mit ihm habe ich letztes Jahr tolle Abenteuer erlebt. Wir brauchen dringend seine Hilfe. Er muss hier irgendwo sein. Wir haben uns zu Wilhelm gewünscht und die Magie irrt nie.“ Was war das für ein Geräusch? Mia legte vorsichtig ihren Zeigefinger vorsichtig auf ihren Mund und alle lauschten. Ja, da war tatsächlich ein Geräusch. Ein ganz leises, regelmäßiges Schnarchen und es kam hinter dem Schreibtisch hervor.

Mia sprang auf, rannte hinter den Schreibtisch und sah auf Wilhelm, der dort friedlich schlafend lag. Sie lies sich vor Glück auf ihn fallen und Wilhelm riss seine Augen auf. Er starrte sie für einen kurzen Moment an und dann schmiss er seine Arme um sie und sagte ganz bewegt: „Mia, du bist es. Gott sei Dank!“. Mia juchzte vor Glück, bis George flüsterte: „Bitte seid leise. Es darf im Haus keiner wachwerden.“ Wilhelm war erstaunt und erschrocken zu gleich. Er flüsterte zu Mia: „Wir sind in der Geschichte, oder? Das ist ein sehr schwerer magischer Regelbruch. Mia schmatzte ihm einen Kuss auf die Wange und sagte: „Kein Sorge, Professor Dumbledore hat uns einen Vergessenszauber mitgegeben.“ Dann drehte sie sich zu George um und fragte: „George, hast du nicht etwas zu Essen für uns?“ Sie hatte auf einmal richtig großen Hunger. Wilhelm flüsterte leise zu Mia: „Hast du eine Ahnung in welchem Buch wir sind?“ Mia zuckte die Schultern. Das beunruhigte Wilhelm. Dann wusste keiner von ihnen in welcher Geschichte sie gerade steckten.

Kalle machte sich bemerkbar. Er fing an in Richtung Wilhelm zu sprechen und Wilhelm schaute ihn verständnislos an, den der Junge sprach in Schwedisch. „Mia, wer ist das?“ flüsterte er ihr leise ins Ohr. „Oh, Wilhelm ich habe ganz vergessen dir zu sagen, dass das Kalle ist.“ Ah, das war also Kalle, der immer auf der Schriftrolle auftauchte. Aber Wilhelm hatte immer noch keinen blassen Schimmer, wer Kalle war. Und warum sprach er schwedisch. Leise wendete er sich wieder an Mia. „Ich glaube er ist aus einem schwedischen Buch gefalle, aber ich weiß es nicht genau. Und er ist Kalle Blomquist.“ Jetzt fiel der Groschen bei Wilhelm. Dann richtete er sich direkt an Kalle: „Weißt du was, Kalle? Mir wäre es am liebsten, wenn du deutsch sprechen sprechen und verstehen könntest.“ Das Rascheln der Schriftrolle bekamen sie nicht mit, und Kalle fuhr in deutsch fort: „Ich muss unbedingt Eva-Lotta retten, denn sie wird von einem Mörder gefangengehalten. Wir können hier nicht bleiben“. George schaute ihn fragend an: „Wer ist Eva-Lotta?“ „Sie ist meine beste Freundin. Aber warum spreche ich auf einmal deutsch?“ Das musste schon wieder diese Magie sein, welche sie schon die ganze Zeit verfolgte. Mia fing an zu strahlen, was auch immer passiert war, nun konnte Kalle deutsch. Das machte die ganze Sache doch wesentlich einfacher.

„Sag mal, Junge“, Wilhelm drehte sich zu George um, „hast du tatsächlich etwas zu Essen für uns. Ich würde auch so einen Kaffee trinken.“ George wusste überhaupt nicht mehr, was hier passierte. Sie fühlte sich als Fremde im eigenen Haus… Sie war zu überwältigt, um sich überhaupt noch zu wundern. Sie sagte fast monton: „ Ich heiße Georgina, aber alle nennen mich George und das ist Tim. Darf ich auch Wilhelm zu dir sagen?“ „Oh, du bist ein Mädchen?“ „Ja, aber sehr ungern.“, antwortete George trotzig. Es war 4 Uhr in der Frühe. Sie lag verbotenerweise mit Tim im Arbeitszimmer und nun hatte sie auf einmal drei ungebetene Gäste, die essen wollten, die sie nicht verraten konnte, um selber nicht in Schwierigkeiten zu kommen. Ihr Ermittlerinstinkt wurde auf einmal wieder wach. Sie musste rausfinden, was das alles zu bedeuten hatte. Also sagte sie:“ Kommt, wir gehen in die Küche. Dort gibt es was zu essen. Aber bitte seid leise.“ Kaum waren alle auf dem Flur auf dem Weg in die Küche, hörten sie im oberen Stockwerk Geräusche. „Na, das hatte mir gerade noch gefehlt.“, dachte George. Alle verharrten regungslos. Sie hörten Schritte und nach einer kurzen Zeit die Toilettenspülung. Es folgten Schritte und eine Tür ging zu. George atmete auf, oben war jemand einfach nur auf die Toilette gegangen. Auf sehr leisen Sohlen ging es weiter zur Küche. Als alle drin waren, schloss sie schnell die Tür.

„Wir haben nur löslichen Kaffee, weil wir normalerweise nur Tee trinken.“, George drehte sich zu Wilhelm. Dieser fragte: „Sind wir hier in England?“ „Natürlich, wo denn sonst.“ „Dann trinke ich lieber einen Tee.“, sagte Wilhelm. Während George Essen auf den Tisch stellte, fragte sie: „Wer seid ihr und was macht ihr hier? Wieso seid ihr im Arbeitszimmer meines Vaters gelandet?“ Mia erzählte alles, was sie mit Kalle erlebt hatte. Sie kam nicht drumherum zu erwähnen, dass sie von Buch zu Buch wanderten und nun in diesem Buch gelandet waren. Erwartungsgemäß schaute George zu Mia, Kalle und Wilhelm. „Wie, in einem Buch?“ Mia nickte und sagte: „Das ist etwas schwierig zu erklären.“ Bevor größere Diskussionen aufkamen, fuhr Wilhelm mit seiner Geschichte fort, lies dabei aber die Schriftrolle aus, denn seit seiner Erfahrung mit Kuncz wollte er lieber vorsichtig sein. George verdrehte die Augen und sagte genervt: „„Der Sommernachtstraum“ von William Shakespare. Damit hat mich mein Hauslehrer das ganze letzte halbe Jahr gequält. Es war so was von langweilig und nur weil er einer der größten Dichter Englands sein soll. Die Erwachsenen sind so was von stolz auf ihn. Alle verfielen in Schweigen. Für jeden war die ganze Situation auf unterschiedliche Weise sehr überwältigend.

Plötzlich drehte Mia sich zu George: Warum muss dein Hund eigentlich draußen in der Hütte schlafen? Es ist doch so kalt.“ George erzählte sehr wütend die Geschichte. Das war alles nur wegen dem blöden Hauslehrer Herr Roland. Eines Nachts ist er hier im Arbeitszimmer mit einer Taschenlampe rumgeschlichen. „Ich habe das gehört und gedacht, es seien Einbrecher und Tim hat sich von mir losgerissen. Ich bin hinter ihm hergerannt und sah ihn mit einem Mann am Boden kämpfen und die Taschenlampe hat auf dem Boden gelegen. Als ich das gesehen hatte, habe ich das Licht angemacht und Herr Roland gesehen.“ Da sie nicht sofort Tim zurückgepfiffen hatte und er dann später auch nicht auf ihren Vater gehört hatte, musste Tim zur Strafe in der Hundehütte bleiben. George sagte zum Abschluss der Geschichte: „ Es war doch wirklich komisch, dass Herr Roland das Licht nicht angemacht hatte und er ausgerechnet mitten in der Nacht mit einer Taschenlampe im Arbeitszimmer rumgeschlichen ist. Das fand ich sehr verdächtig.“

Kalle als Meisterdetektiv hatte sofort den Eindruck, dass dieser Herr Roland nichts Gutes im Schilde führte. Gerne hätte er ermittelt, was das war, aber sofort dachte er an Eva-Lotta und war gleichzeitig sehr traurig, dass er nicht bis zum Ende der Geschichte warten konnte. Genauso wenig wie Mia und Wilhelm wusste er immer noch nicht, in welchem Buch sie waren. Er schaute zu Mia und Wilhelm und sagte: „Wir müssen mein Buch finden. Das ist das wichtigste!“ Mia nickte zustimmend. Schnell räumten sie gemeinsam das Essen wieder an den richtigen Platz, Wilhelm flüsterte zu Mia:“ Wir müssen hier weg. Ich habe keine Ahnung, wie wir aus dem Buch kommen, aber wir müssen aus der aktiven Geschichte. George und Tim müssen so schnell wie möglich vergessen.“ Er sagte laut zu George: „Vielen vielen Dank für deine Gastfreundschaft. Aber jetzt müssen wir dringend weiter. Du weißt ja, wir müssen Eva-Lotta retten. Und um sie retten zu können, müssen wir unbedingt zum Kamin im Arbeitszimmer zurück.“

So gingen alle ganz leise zum Arbeitszimmer zurück. Ehe George sich versah, hatte Mia Tim und sie schon mit den Vergessenszaubertropfen beträufelt. Die beiden sanken zu Boden und waren wieder fest eingeschlafen, genau so, wie sie vorher dort lagen. Die drei machten ganz leise die Türe zum Arbeitszimmer zu und gingen durch die Haustür nach draußen. Zur Sicherheit schauten sie vorsichtigdurch das Fenster, ob George wirklich schlief. Dann hörten sie die Standuhr schlagen. George wachte auf und sie sahen, dass sie etwas zu Tim sagte. Dann sprang sie auf und ging aus dem Arbeitszimmer. Die drei rannten aus dem Gartentor auf die Straße und so konnten sie nicht mehr sehen, dass George Tim zurück in seine Hundehütte gebracht hatte und wieder im Haus verschwunden war.

Mia, Kalle und Wilhelm schauten sich fragend an: „Was nun?“ Sie mussten wieder zurück in den Bücherschrank aus einem Buch, das sie alle nicht kannten. Wilhelm sagte, dass er bei „Pippi Langstrumpf“ auch einfach eine Tür im Grünen gefunden hatte. Vielleicht klappte das hier auch. Alle drei schauten angestrengt in alle Richtungen. „Auch wenn keiner von ihnen eine Ahnung hatte, würde ich am liebsten wissen, in welchem Buch wir gerade sind.“ dachte Wilhelm. Das leise Rascheln in Wilhelms Lederbeutel wurde von dem eisigen Wind übertönt.