
Hexenhof und Burg Saburac
Mia blinzelte vorsichtig und setzte sich senkrecht auf ihrer Decke. Sie hatte das Gefühl für Zeit total verloren. Sie schüttelte Wilhelm und Leon ganz wild. „Los, wir müssen Catweazle suchen.“ Die beiden rieben sich verschlafen die Augen und schauten sich um. Sie waren hinter dem Strohberg in der Scheune vom Hexenhof. „Und wie sollen wir ihn finden?“, fragte Leon verschlafen. „Immer dem Geruch nach.“, antwortete Mia und hatte ein großes Grinsen im Gesicht. „Wir sollten uns vorsichtig zum Hof aufmachen, denn soweit ich mich erinnere, war Catweazle mit einem Jungen befreundet.,“ schlug Wilhelm vor. Sie packten ihre Decken wieder in den Mary-Poppins-Rucksack. „Schaut mal“, bemerkte Mia, „die Decken werden auch wieder kleiner. Der Zauber funktioniert auch rückwärts. Vielleicht finden wir in der BOKX noch die Reste unseres Essens, dann kann ich das auch wieder einpacken.“
Sie kletterten vom Heuboden runter. Leon öffnete langsam die Scheunentür und blickte vorsichtig nach draußen. Er erklärte den anderen, dass nichts und niemand zu sehen sei. Die drei verließen die Scheune und liefen in Richtung Hexenhof. Dabei blickten sie sich laufend um, damit sie sicher sein konnten, dass niemand sie sah. An der Einfahrt des Hofes gab es eine Hecke, die ihn genügend Schutz bot, um näher an das Haus zu kommen.
Vor einem der Fenster stand ein Mann, der gerade dabei war, das Fenster zu reparieren. Da trat eine Frau mit einem Wäschekorb aus dem Haus. Bei den Wäscheleinen angekommen, fing sie an, die Wäsche aufzuhängen. „Schau mal“, flüsterte Mia ganz aufgeregt als die Frau ein weiteres Stück Stoff aus dem Korb holte, „das hatte Catweazle an. Er muss hier sein.“ Wie aus dem Nichts sprang Catweazle splitterfasernackt aus einem Busch hervor und rannte zu der Wäscheleine. „Der will sein Gewand zurück. “Leon lachte laut auf. „Psst“, sagte Wilhelm, „sie dürfen uns nicht hören.“ „Ach was, die sind so mit dem nackten Catweazle beschäftigt.“ An der Szene irritierte die drei, dass der Mann am Fenster komplett erstarrt war und sein Mund auf- und zuklappte, während die Frau seelenruhig und ohne eine Regung weiter Wäsche aufhängte. Es schien so, als ob sie Catweazle überhaupt nicht sehen würde. So schnell wie Catweazle gekommen war, verschwand er mit seinem Gewand wieder in einem Busch.
„Wir müssen hinterher.“ Wilhelm drängte die beiden Kinder zum Rückzug. Sie krabbelten entlang der Hecke außer Sichtweite des Hofes und hörten noch, wie der Mann rief: „Der alte Mönch! Der hat nichts angehabt.“ Schnell liefen sie in den Wald. „Wo sollen wir weitersuchen?“, fragte Leon resigniert, „es ist echt doof, dass wir das Buch überhaupt nicht kennen.“ Sie hörten ein wildes Geraschel und dann war es auch schon wieder vorbei. Ob das Catweazle gewesen war? „Habt ihr hören können, in welche Richtung das Geräusch verschwunden ist?“, fragte Wilhelm. Beide Kinder zeigten in dieselbe Richtung. Dort gingen sie hin.
Nach einer Weile sahen sie einen Jungen in der Ferne durch den Wald gehen. „Jetzt hoffen wir einfach mal, dass das der Junge ist, den Catweazle getroffen hat und folgen ihm“, sagte Wilhelm. Im Schutz des Waldes konnten sie dem Jungen unauffällig folgen. Nach einer Weile tauche in der Ferne ein rostiger Turm auf. „Das war wahrscheinlich mal ein Wasserturm“, bemerkte Wilhelm. Der Junge blieb eine Weile vor dem Turm stehen und schaute sich um. Gerade als er gehen wollte, schaute von oben ein Gesicht aus dem Wasserturm: Catweazle! Die drei lächelten sich an. Sie hatten ihn endlich gefunden und waren fest entschlossen, ihn oder besser gesagt, den Turm nicht mehr aus den Augen zu lassen. Wilhelm und die Kinder warteten auf einen Augenblick, indem sie ihn alleine antreffen konnten.
Catweazle rief: „Hey Junge“ Der Junge schaute nach oben und der alte Mann winkte mit seinen Armen. „Ich glaube, wir sind jetzt genau in der Geschichte. Das müssen wir unbedingt zu Hause nachlesen.“, wisperte Wilhelm. Mia antwortete, dass sie hoffentlich die Stelle im Buch finden würden. Der Junge rief Catweazle zu: „Wie sind Sie denn da raufgekommen?“ „Geklettert“, antwortete Catweazle. Der Junge schrie nach oben: „Hier können Sie aber nicht bleiben!“ „Warum nicht?“ „Es ist doch voll Wasser.“ Catweazle schüttelte den Kopf und sprach: „Nein, Junge, es ist knochentrocken.“
Leon flüsterte: „Hoffentlich geht der Junge bald. Ich habe ein furchtbares Jucken in der Nase.“ Der Junge fragte Catweazle: „Sind sie sicher?“ „Komm doch rauf und sieh´s dir an“, rief Catweazle zurück und winkte ihm. Der Junge antwortete etwas zögerlich: „Aber es gehört doch der Armee…“ „Ich sah nirgends einen Soldaten“, Catweazle schaute sich um. „Dies ist jetzt meine Burg!“ Leon liefen die Tränen in die Augen. „Ich kann nicht mehr.“, er hielt sich seine Nase zu und schlich leise aus dem Versteck zurück in den Wald. Mia und Wilhelm schauten ihm nach, bis sie ihn in Sicherheit wussten. Als sie sich wieder zu der Szene umdrehten, sahen sie nur noch, wie der Junge in der Einstiegsluke des Wasserturms verschwand.
Mia und Wilhelm beschlossen, erstmal Leon zu folgen, um zu schauen, ob mit ihm alles in Ordnung war. Jetzt wussten sie, wo Catweazle wohnte. Sie holten Leon ein und nachdem er endlich einmal herzhaft niesen konnte, ging es ihm wieder gut. Mia wünschte sich von ihrem Rucksack etwas Wasser und Schokolade. Sie setzten sich auf den Waldboden und genossen schweigend ihre Stärkung. Diese tat den dreien jetzt richtig gut.
Nach einer Weile brachen sie wieder auf, um zum Wasserturm zurückzukehren. Der Junge kam gerade wieder aus dem Turm und verschwand im Wald. Die drei wollten gerade aufspringen, um in Richtung Wasserturm zu laufen, als Catweazle ebenfalls den Turm verließ und dem Jungen hinterherrannte.
Die drei versuchten ihn einzuholen, aber dieser alte Mann war unglaublich schnell. Völlig außer Atem sahen sie, dass er in einem Gebäude verschwand auf dem mit großen Buchstaben „Westborne-Museum“ stand. Als sie das Gebäude erreichten und Leon gerade die Tür öffnen wollte, blieb er plötzlich wie versteinert stehen. Sie sahen durch das Fenster in der Eingangstür, dass Catweazle einer Figur, die eine normannische Uniform aus Kettenhemd und Helm trug, gegen das Schienenbein trat. „Tod allen Eindringlingen.“ schrie Catweazle aus Leibeskräften. Sie sahen den Jungen in Begleitung eines Mannes hinzueilen. Schnell sprangen sie zur Seite, damit man sie nicht sehen konnte. Sie entfernten sich von dem Gebäude und rannten zurück in den Wald.
Es war zum Verrücktwerden. Sie schafften es einfach nicht, Catweazle alleine zu treffen. Wilhelm ließ sich an einem Baum nieder. „Wie können wir Catweazle alleine treffen. Überall tauchen immer andere Personen auf“ sagte er. Mia und Leon schüttelten den Kopf.
Mia runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich finde, wir sollten uns von der Schriftrolle wünschen, wie wir Catweazle treffen können. Sie spricht zwar manchmal in Rätseln, aber sie hat uns bisher doch immer geholfen.“ Wilhelm nahm die Schriftrolle in die Hand und wiederholte Mias Wunsch. Auf der Schriftrolle erschienen weitere Zeilen:
Treffen könnt ihr ihn in der Burg Saburac,
wenn Karotte auf dem Hexenhof ist.
Wilhelm las die Worte vor und Mia und Leon konnten das dicke Fragezeichen in seinem Gesicht sehen. „Wer ist Karotte?“, fragte Mia und Leon wie aus einem Mund. „Wahrscheinlich der Junge.“, vermutete Wilhelm, „Und was ist die Burg Saburac?“
Schweigend saßen sie da. Plötzlich fing Mia an zu strahlen: „Burg Saburac ist der rostige Wasserturm. Catweazle hat doch gesagt, dass er jetzt seine Burg ist. Ehrlich gesagt, war das doch sowieso schon klar. Dafür hätten wir nicht die Schriftrolle befragen sollen. Nicht, dass sie irgendwann keinen Platz mehr hat.“ „Also los, dann gehen wir wieder zu dem Wasserturm?“, sagte Leon.
Mia und Wilhelm erhoben sich schwerfällig und sie liefen los in Richtung Wasserturm. Dort angekommen, riefen sie nach Catweazle aber sie erhielten keine Antwort. Leon stieg vorsichtig die Leiter hinauf. Oben angekommen schaute er in die Einstiegsluke. „Er ist nicht hier.“, sagte Leon, während er wieder runterstieg. „Zum Hexenhof gehen bringt uns nichts, da wir ihn dort nicht alleine treffen werden und die Gefahr gesehen zu werden ist zu groß.“, fasste Wilhelm ihre Situation zusammen, „wir müssen hier warten, bis er alleine dort im Wasserturm ist.“
Sie schauten sich um, wo sie sich gut verstecken konnten. Sie schlüpften in ein Dickicht. Jetzt hieß es warten.