Junge Detektive

Da stand er nun, der große Meisterdetektiv Hercule Poirot und schaute in die erwartungsvollen Gesichter. Als er die Einladung bekommen hatte, war er sehr geschmeichelt, dass eine Internationale Vereinigung ihn bat ein Grußwort an die anwesenden Kollegen zu richten. Und nun saßen ihm lauter Kinder und Jugendliche gegenüber! Wahrscheinlich spielten sie in ihrer Freizeit Räuber und Gendarm. Von Kollegen konnte man wahrlich nicht sprechen. Poirot ärgerte sich, dass er sich nicht genauer informiert hatte. Jetzt war es so, wie es war. Ja, er würde zu den Kleinen sprechen und ihnen klar machen, was es heißt ein Detektiv zu sein.

Liebe junge Detektive, es ist mir eine Ehre heute vor euch sprechen zu dürfen. Ich muss gestehen, dass ihr mir alle unbekannt sind. Doch ich gehe davon aus, dass ihr alle wisst, wer ich bin. Ich bin der großartige, weltbekannte Meisterdetektiv Hercule Poirot.

Er fing an zu erzählen, wie er als kleiner Detektiv in seiner belgischen Heimat angefangen hatte Diebstähle und kleinere Verbrechen aufzuklären. Er sei überzeugt gewesen, dass er der beste Detektiv sei. „Heute kann ich nur darüber lachen. Das war doch gar nichts.“ Erstes leises murren wurde hörbar. Doch unbeirrt setzte er seine Rede fort. Zum echten Detektiv wird man erst, wenn man seinen ersten Mord aufgeklärt hätte.

Es ertönte eine laute Hupe und ein Junge sprang auf: „Wollen Sie damit sagen, dass es kein detektivscher Erfolg war, dass wir einen gesuchten Bankräuber gefangen haben?“ „Siehe an, Gustav ist auch hier.“, dachte Wilhelm. Einige im Raum klatschten als der Junge fertig war. Aber Poirot ließ sich nicht beeindrucken. „Junger Mann, dass war nichts wie reiner Zufall. Du willst wohl nicht behaupten, dass ihr geplant vorgegangen seid.“ „Wenn er wüsste!“ Wilhelm wusste nur zu gut, dass die Jungs sehr organisiert vorgegangen waren, als sie den Bankräuber zu Fall gebracht hatten.

Als es wieder ruhig wurde, fuhr Poirot unbeeindruckt vor. Er erzählte lang und breit von seinen großen Erfolgen, die ihn zu dem gemacht hatten, der er war. Besonders hob er zwei seiner bekanntesten Fälle hervor: „Mord im Orientexpress“ und „Der Tod auf dem Nil“. Die meisten von den anwesenden hatten noch nie davon gehört, aber das störte einen Hercule Poirot doch nicht. Anhand dieser Fälleerklärte er lang und breit, wie wichtig es ist zu beobachten und richtige Schlüsse zu ziehen. „Doch das meine lieben jungen Zuhörer könnt ihr nicht verstehen. Denn das kann nur ein großer Meisterdetektiv, wie ich einer bin.“

Jetzt wurde es laut. Aus allen Richtungen kamen Proteste und Buuh-Rufe. Wilhelm hatte kein Mitleid mit dem Mann am Rednerpult. Ganz im Gegenteil. Wilhelm stand auf und bat um Ruhe. Als es wieder still war begann Wilhelm: „Sehr verehrter Herr Poirot, es tut mir leid, ihnen das sagen zu müssen, aber Sie haben absolut keine Ahnung, was die hier Anwesenden schon geleistet haben. Nicht nur einmal haben sie der Polizei gesuchte Täter übergeben oder die entscheidenden Hinweise geliefert. Ich kenne nicht alle der hier Anwesenden. Aber von denen, die ich kenne, habe ich größten Respekt und Hochachtung. Viele haben Mut gezeigt in ihrem Handeln und oft waren sie auch leichtsinnig. Ja, Sie haben Recht damit, dass diese Detektive nicht die Erfahrung des Alters haben, aber sie besitzen die Unbekümmertheit, wie sie nur Kinder und Jugendliche haben. Sie sehen nicht immer die Gefahren, doch genau das ist der Grund ihres Erfolges. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Poirot, bin ich der Meinung, dass ein guter Detektiv sich dadurch auszeichnet, dass er sich in allen Kategorien des Verbrechens auskennt. Ich lege für jeden einzelnen hier meine Hand ins Feuer! Sie sind alle großartige Detektive.“ Als Wilhelm geendet hatte, brach lauter Jubel aus und alle klatschten ihm Beifall.

Poirot stand an seinem Rednerpult und hatte einen hochroten Kopf. „Was fiel diesem alten Mann nur ein so mit ihm zu reden. Er war Hercule Poirot, der Meisterdetektiv.“ Er verließ das Podium, ging an seinen Platz nahm seine Sachen und verließ den Raum. Weder Tim noch Kalle machten sich die Mühe diesen eingebildeten Mann aufzuhalten. „Es tut mir leid, dass ich ihn als Ehrengast vorgeschlagen habe.“, flüsterte Kalle Tim zu. „Du konntest doch nicht ahnen, dass er sich so aufführen würde.“, beruhigte ihn Tim, bevor er aufstand und zum Podium ging.

„Ich hoffe sehr, dass sich dieser Auftritt nicht auf unsere Arbeit auswirkt. Aber ich weiß jetzt, wie ich nicht werden will!“ Lauter Beifall bestätigte Tim. Er wollte gerade fortfahren, als sich ein Junge zu Wort meldete. „Mein Name ist Emil Tischbein und möchte vorschlagen, dass wir Wilhelm als Ehrenmitglied in unsere Vereinigung aufnehmen. Er scheint uns zu kennen. Ich fände es auch famos, wenn er uns doch noch erklärt, wieso er uns kennt!“ Von allen Seiten kamen diesmal zustimmende Kommentare. Tim unterstütze diesen Vorschlag auch, wandte aber ein, dass sie die Vereinigung ja erst einmal gründen müssten. „Warum?“, wollte Willi wissen, „Wir sind doch schon vereint!“ Einige lachten und andere stimmten ihm zu. Warum sollte es zu formell sein. Sie könnten doch auch ohne diese Vereinigung zusammenarbeiten und sich treffen. Tim und Kalle sahen ihre Felle davon schwimmen. Sie hatten sich neulich wieder am geheimen Ort getroffen. Es handelte es sich um einen Hohlweg, der begrenzt war durch zwei dicke Wände. Eine Wand verlief schnurgerade, aber die andere Wand war von vielen Nischen geprägt, in denen man sich hervorragend verstecken konnte. Sie hatten die Idee etwas zu schaffen, wo alle minderjährigen Detektive mit einer Stimme sprechen konnten. So wie die UNO oder die Europäische Union. Jetzt versuchte Tim den anderen diesen Grundgedanken schmackhaft zu machen.

Da meldete sich ein Mädchen, das neben Kim saß, zu Wort: „Hallo, ich bin Franzi. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber viele Vereinigungen, die eigentlich nur mit einer Stimme sprechen wollen, sind zerstritten. Es herrschen Machtkämpfe und Gruppenbildungen innerhalb der Vereinigungen. Warum wollen wir uns das antun. Wir können uns doch einmal im Jahr treffen und austauschen. Ich für meine Person brauche nicht eine große Organisation.“ Zu ihrer eigenen Überraschung stimmte ihr ausgerechnet Justus von den drei Fragezeichen zu. Aber er war nicht der einzige.

Tim und Kalle steckten die Köpfe zusammen, um sich zu beratschlagen. Sollten sie ihren Plan aufgeben oder es noch einmal versuchen, den anderen zu erklären, warum eine gemeinsame Stimme so wichtig war. Da gesellte sich Julian zu ihnen und er hatte einen interessanten Vorschlag. Kalle und Tim hörten ihm mit wachsender Begeisterung zu. Ja, vielleicht war das der Weg! Nun trat Kalle an das Rednerpult und bat um Ruhe. „Julian hat Tim und mir gerade etwas vorgeschlagen. Ich bitte euch, dass ihr ihm einfach nur zuhört.

„Ich brauche auch keine große Organisation mit vielen Formalitäten. Davon haben die Erwachsenen schon genug. Warum nennen wir uns nicht einfach Internationale Vereinigung minderjähriger Detektive ohne all diesen Papierkram? Doch fände ich es gut, wenn wir die Möglichkeit hätten und Nachrichten zukommen zu lassen. Jetzt ging ein allgemeines Getuschel los. Bob meldete sich zu Wort: „Julian die Grundidee ist gut, aber wie sollen wir das machen. Wo sollen wir denn diese Nachrichten hinterlassen. Am geheimen Ort gibt es dafür keine Möglichkeit!“ Julian nickte zustimmend: „Wir können es nicht allein, aber vielleicht kann uns ja jemand helfen.

Er blickte hilfesuchend zu Kalle, der ihm das Mikrofon abnahm und weitersprach: „Gestern habe ich Julian eine verrückte Geschichte erzählt, die mir vor einiger Zeit passiert ist. Das Einzige was ich noch von damals weiß, ist, dass ich ein kleines Mädchen und einen alten Mann getroffen habe. Ich war aus mir unbekannten Gründen in der Hohlgasse gelandet und die beiden haben mir geholfen, dass ich nach Hause gefunden habe. Sonst kann ich mich aus irgendeinem Grund an nichts mehr erinnern. Ich habe nach einem Weg gesucht, wie ich wieder in den Hohlweg gelangen könne. Wie wir inzwischen alle wissen, taucht immer wieder ein Tor auf, durch das wir in den Hohlweg gelangen. Aber keiner von uns weiß, wieso dieses Tor auftaucht, und wo es das nächste Mal erscheint.“Leider habe ich die beiden nie wieder getroffen. Aber dafür habe ich viele andere kennengelernt. Julian ist davon überzeugt, dass das Mädchen und ihr Begleiter unter uns sind, und dass sie uns helfen können. Ich für meinen Teil glaube, dass er recht hat. Ich weiß, dass ich Mia und Wilhelm kenne, aber ich kann euch nicht sagen woher.

Kalle schaute zu Mia und Wilhelm hinüber. „Oh, je!“, dachte Mia, „was haben wir nur angerichtet. Wilhelm fühlte sich auch nicht wohl. Was sollten sie jetzt nur tun? Sie hatten zwar die Geschichten nicht verändert, aber die Protagonisten wussten voneinander. Sie verließen tatsächlich ihre Bücher, um sich zu treffen. Wilhelm war schier am Verzweifeln, denn er sah auch die Gefahr, die dadurch entstand. Was würde passieren, wenn sich jemand ein Buch nimmt und der Hauptcharakter war gerade außerhalb im Hohlweg unterwegs. „Mia, wir dürfen auf gar keinen Fall zugeben, dass wir es tatsächlich sind!“, flüsterte er leise Mia zu. Sie verstand und nickte ihm zu: „Vielleicht sollten wir verschwinden, bevor noch etwas passiert.“ Aber es war zu spät, denn im selben Augenblick hörten sie laut und deutlich Leons Stimme:

„Ich bin Leon und finde es klasse euch alle kennen zu lernen. Ihr habt Recht! Mia und Wilhelm waren schon mal hier. Sie haben mir viel von den Abenteuern erzählt, die sie erlebt haben. Mia hat immer wieder behauptet, dass sie Kalle persönlich kennen würde. Das habe ich ihr nicht geglaubt. Wie sollte das auch funktionieren? Jetzt weiß ich, dass Mia immer die Wahrheit erzählt hat.

Wenn Blicke töten könnten, hätten die jungen Detektive jetzt ihren ersten Mordfall, den sie hätten lösen können. Leon schien die wichtigste Regel immer noch nicht verstanden zu haben. Aber es war auch nicht einfach. Eigentlich konnten sie nicht böse auf Leon sein, denn sie hatten die Regel schon dadurch gebrochen, dass sie von ihren Abenteuern erzählt haben. Doch sie konnten die Zeit nicht zurückdrehen.

Wilhelm stand zitternd auf und sah zu Kalle: Hallo Kalle, es ist schön dich wiederzusehen. Es scheint sich viel ereignet zu haben seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich habe vorhin erklärt, dass es zu kompliziert sei, euch zu erklären, woher wir euch kennen. Glaubt mir, ich würde es euch gerne erzählen, aber ich darf es nicht!“, Wilhelm sah die Enttäuschung auf einigen der Gesichter, aber er konnte es nicht ändern. „Leider muss ich euch auch sagen, dass wir euch nicht helfen können. Dadurch würde eine Lawine losgetreten, die wir alle am Ende nicht mehr stoppen könnten. Bitte glaubt mir, wenn es eine Möglichkeit gäbe, wäre ich der erste, der euch hilft. Ich denke, dass ich auch in Mias und Leons Namen spreche.

Da hatte Leon einen Einfall: „Warum kann sich Mia nicht eine Litfaßsäule, die im Hohlweg stehen soll aus ihrer Mary-Poppins-Tasche wünschen?“ Mia sah Wilhelm fragend an: Eine Litfaßsäule im Hohlweg würde doch keine Geschichte ändern.“, raunte sie leise. „Mia, es geht nicht. Wir können nicht wissen, was das für Auswirkungen haben könnte!“, flüsterte Wilhelm zurück.

„Auch wenn wir euch nicht helfen können, bitten wir euch, dass ihr uns helft, dass Rätsel zu lösen, so das wir wieder nach Hause kommen.“, wandte Wilhelm sich an die jungen Detektive. Obwohl sie alle enttäuscht waren, war es für sie eine Ehrensache den dreien zu helfen.

„Doch bevor wir das Rätsel lösen, lasst uns an das Buffet gehen und unsere Nerven stärken!“, kam es zugleich von Klößchen, Dick und Leon.  Wieder wurden Stühle gerückt und alle begaben sich zu dem Buffet. Beobachtet von allen Direktoren der Firma Sauerlich.